Wie der Teufel den Schwanz verlor – Gedicht von Heinrich Hoffmann
Der Teufel hat den Schwanz verloren,
Er sitzt beschämt daheim und klagt.
So hört mir zu, spitzt eure Ohren!
Die Mär sei nicht umsonst gesagt.
Vor allen euch, Poeten, gilt es;
Bedient euch gleichen Schirms und Schildes,
Wenn euch einmal der Teufel plagt!
Im Schweiß des Angesichts, des blassen,
Saß einst ein Dichterling und schrieb.
Indes der Schnee, toll ausgelassen,
Sich um die matten Scheiben trieb.
Doch heute ging es nicht, das Reimen,
Trotz zwängen, flicken, biegen, leimen,
Wie er die Stirn auch glühend rieb.
Verzweifelnd nagte an dem Kiele
Der Dichter, plötzlich sprang er auf:
»Zum Teufel mit dem dummen Spiele!
Zu was die Ware, wo kein Kauf?
Die ganze Welt hab ich besungen,
Durch Eis und Wüsten mich gerungen;
Zu Bergen steigt der Hefte Hauf.
Allein die Menschheit liegt im argen;
Die Mode gilt bei Buch und Frack.
Den Lorbeerkranz, den dürren, kargen,
Man wirft ihn weg an Lumpenpack.
Indes sie meinen glühend heißen
Gesängen kalt den Rücken weisen,
Herrscht allwärts dummer Ungeschmack.
Was ich euch biet, ist lauter Honig;
Ihr sauft, als wär es saurer Wein!
Wie in dem Pestspitale wohn ich
Mit meinen Versen hier allein.
Verdammtes Rezensentenwesen!
Hielt jemand mir nur aus beim Lesen,
Und sollt’s der Teufel selber sein!«
Kaum hat er dieses Wort gesprochen,
So hört er Schritte auf dem Flur,
Dann an der Tür ein leises Pochen.
»Ach, war‘ es ein Verleger nur!
Herein! Herein!« – O Graus und Schrecken!
Er sieht sich durch die Türe strecken
Des Satans höllische Figur.
Mit Horn und Schwanz und Pferdefüßen
Der Teufel, wie er leibt und lebt,
Nach wechselseitigem Begrüßen
Nun also an zu sprechen hebt:
»Ich hörte Euer Wohlgeboren
Hier oben schimpfen und rumoren,
Daß mir das Herz im Leib gebebt.
Drum nahm ich mir heraufzukommen
Die Freiheit, und bin gern bereit
Nach Eurem Wunsch, den ich vernommen,
Euch zuzuhören ein’ge Zeit.
Ist gleich das Publikum ein kleines,
So ist’s geduldig doch wie eines
Nur irgend ringsum weit und breit.«
»Ei, seid willkommen mir, Verehrter!«
Rief lauten Jubels der Poet.
»Ich will Euch lesen, Hochgelehrter,
Mit tausend Freuden, wie Ihr seht.
Hier ist ein Stuhl; kommt, laßt Euch nieder!
Roman, Novelle, Drama, Lieder,
Sagt, was Euch zu Befehle steht!«
»Gemach! Zu was so stürmisch eilen?«
Spricht jener: »Glaubt’s, ich bleibe hier!
Doch gebt zuvor mir ein paar Zeilen;
So ist’s bei uns Geschäftsmanier.
Ich schüre unterdes das Feuer;
Mich friert’s hier oben ungeheuer.
Ich bin verwöhnt; verzeiht es mir!«
»Erlaubt, daß ich Euch gleich bediene;
Die Kleinigkeit ist flugs gemacht.«
Indes er schreibt, hat im Kamine
Der Teufel ’s Feuer angefacht;
Und kaum war er damit zu Ende,
So hat der Dichter schon behende
Ein zierlich Blatt ihm dargebracht.
»Den Reim, den ich hier schreibe, sei’s mein letzter,
Den möcht ich recht mit Gift und Galle tränken,
Dich feiles Publikum damit zu kränken,
Ich ein Poet, ein schnöd zurückgesetzter.
Stumpf ist dein Sinn, ein schmählich ungewetzter;
Blind ist dein Aug, ja blind den plumpsten Ränken.
Den Tagesaffen magst du dich verschenken,
Ich mag dich nicht, ich ein gehetzt Zerfetzter.
Weltmüde bin ich längst ja schon gewesen;
So will ich denn dem Teufel mich verschreiben;
Dem Publikum ruf ich noch: Gott befohlen!
Doch muß der Teufel ruhig sitzen bleiben,
Bis ich ein einzig Trauerspiel gelesen;
Dann kann er mich und meine Verse holen!«
Dem Teufel schien dies sehr zu munden,
Und schmunzelnd sprach er, lustverklärt:
»Ein jeder hat für freie Stunden
Noch so ein Lieblingssteckenpferd.
Ich nun, ich sammle Autographen.
Welch Glück, daß wir zusammentrafen!
Dies Blättchen ist mir vieles wert.
Doch jetzt genug, mein lieber Dichter;
Der Worte sind schon viel zu viel!
Seit lang war ich auf nichts erpichter
Als heut auf Euer Trauerspiel.«
Er rückt zwei Sessel mit Behagen,
Und jenen scheint ein Blick zu fragen,
Ob Platz zu nehmen ihm gefiel.
Der Satan setzt sich. – Armer Satan!
Der Handel da gefällt mir nicht.
Ein kluger Mann hört klugen Rat an,
Eh‘ er in Händel sich verflicht. –
Der Dichter aber schließt die Türe,
Damit ihn heut bei der Lektüre
Kein Unberufner unterbricht.
Der Dichter setzt sich, liest den Namen,
Sodann ein langes Personal.
Was da für Leut zusammenkamen!
Raubmörder, Gauner sonder Zahl,
Buhldirnen, Heuchler, Henkersknechte,
Giftmischer, Pfaffen, geile, schlechte,
Und andre Schufte nach der Wahl.
Dem Teufel läuft’s ob dieser Horde
Wie Eiseskälte durch die Haut.
Er brummt halb ärgerlich die Worte:
»Ich glaube, alter Narr, dir graut!
Was hat der Gimpel denn gelesen,
Als ein Register solcher Wesen,
Wie täglich sie die Hölle schaut?«
Der erste Akt schien noch erträglich;
Der Teufel denkt: »Bald bin ich quitt!«
Im zweiten aber war’s schon kläglich,
Was da er für Gesichter schnitt!
Ihr saht wohl einen schon sich zwingen,
Zu grobe Bissen zu verschlingen;
So war es, wie der Ärmste litt.
Im dritten Akte ward’s noch schlimmer,
Dem Teufel selbst verging der Spaß.
Es häuften Greu’l auf Greu’l sich immer;
Ihm wurde weh, er wurde blaß.
Verstopft hätt‘ er sich gern die Ohren;
Der Angstschweiß brach aus allen Poren;
Bleich saß er zitternd da und naß.
Der Dichter liest mit neuem Feuer
Den vierten Akt, er glüht und schnaubt.
Des Teufels Angst wird ungeheuer,
Er springt empor, ihm brennt das Haupt,
Er hält den Leib, er dehnt die Glieder,
Geht händeringend auf und nieder,
Er wimmert laut, des Sinns beraubt.
Der fünfte Akt! – Nun gilt’s sich retten!
Er muß ins Freie, schnappt nach Luft;
Und läg‘ er zehnfach auch an Ketten,
Er muß aus dieser Totengruft.
Die Türe, ach! ist fest verschlossen;
Der Teufel hat sich rasch entschlossen.
»Hör‘ auf mit deinem Lesen, Schuft!
Verdammter Unsinn! Pfui! Abscheulich!
Die Hölle dankt für solchen Gast!«
Und zum Kamine springt er eilig,
Er klettert aufwärts voller Hast;
Doch wie er eben will verschwinden,
Hat ihn der Dichter rasch von hinten,
Zu rechter Zeit am Schwanz erfaßt.
»Halt Satan! Schurke, trugerfüllter!«
Schreit laut der Dichter, »halte Wort!« –
Der Teufel zappelt, wütend brüllt er
Im engen Rauchfang: »Feuer! Mord!«
Er muß es sich gefallen lassen;
Der Dichter weiß ihn gut zu fassen,
Und liest mit Pathos weiter fort.
Dem Teufel blutet Kopf und Seite.
Da reißt das unglücksel’ge Band,
Und wimmernd sucht er rasch das Weite,
Doch mit dem Schweife in der Hand
Steht der Poet und mit dem Buche.
Erzürnt mit einem derben Fluche
Wirft Schwanz und Heft er an die Wand. –
Als Christen hör‘ ich euch nun fragen
Nach der Moral in dem Gedicht.
Nun seht! Es gibt auf Erden Plagen,
Die dauern, bis die Welt zerbricht,
Viel Dichter sind dahin zu zählen;
Sie werden stets die Menschheit quälen: –
Der Teufel selber holt sie nicht.